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Packender Vortrag über den Engel des Herrn

(hr) (bnc) Atemlose Stille herrschte zeitweise im Raum, als Irmgard Hess am vergangenen Donnerstag über den "Engel des Herrn oder die Botschaft vom Sinn unseres Lebens" referierte.
Knapp 40 Personen hatten sich im kleinen Saal des Katholischen Pfarrheims eingefunden, um sich von der charismatischen Referentin in eine andere Welt entführen zu lassen.
Zu Beginn ihres Vortrags, zu dem die Katholischen Pfarrgemeinden eingeladen hatten, machte Irmgard Hess deutlich, wie wichtig Rituale für uns Menschen sind. Ein afrikanischer Schriftsteller hatte es so formuliert: "Wenn die Menschen ihre Rituale verlieren, geht die Beziehung zwischen Himmel und Erde verloren". Die Menschen werden seelenlos. Was bleibt, ist Angst, aus der Aggressivität entsteht. Hess betonte dabei, dass es darauf ankomme, Rituale zu tun, und nicht in erster Linie, sie mit dem Kopf zu verstehen. Noch bis in die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hinein hätten die Menschen auch in unseren Breiten mit einer Vielzahl von Ritualen gelebt, die heute jedoch weithin in Vergessenheit geraten seien.
Sie leitete nun über zum eigentlichen Thema des Abends, zu der Bedeutung des uralten rituellen Gebets der Christen, des "Engel des Herrn", für unser Leben. Dabei ging sie stets vom biblischen Text aus, der diesem Gebet zu Grunde liegt, den Erzählungen des Evangelisten Lukas über die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria (Lk 1,26-38) und die Geburt Jesu selbst (Lk 2,1-12). Immer wieder bezog sie sich dabei auf die Bedeutung der hebräischen Namen und der biblischen Zahlensymbolik. Wenn man um die Bedeutung dieser Namen und Zahlen weiß, so tun sich völlig neue Verständnismöglichkeiten und Zugänge zum Text auf, die das dort Verkündete in ganz neuem Licht erscheinen lassen.
Auf die ihr eigene Weise machte Irmgard Hess deutlich, wie sehr die heute oft recht oberflächlich gedeuteten Worte einen jeden einzelnen Menschen angehen und wie sie den ganzen Menschen und sein Leben verändern können, ja, wie Jesus in einem jeden Menschen geboren werden kann und will. Sie untermauerte ihre Ausführungen mit Dias von Verkündigungsbildern alter Meister und zeigte auf, wie sehr die Menschen noch vor wenigen Jahrhunderten mit der Zahlensymbolik der Bibel vertraut waren und wie Maler sie einsetzten – eine Bildsprache, die wir heute beim Betrachten eines Werkes in keiner Weise mehr verstehen.
Den Höhepunkt des Abends stellte Rembrandts Bild "Die heilige Familie" dar, in dem alles zuvor Gesagte quasi zusammengefasst wurde: Eingetaucht in den Zauber des Helldunkels erhielten die Zuhörer eine Ahnung von dem geheimnisvollen Licht, das im Leben eines jeden Menschen aufstrahlen will, wenn dieser nur willens und bereit wird es hineinzulassen. Als einen Weg hierzu nannte Irmgard Hess die Möglichkeit, sich wieder auf das Ritual des "Engel des Herrn" einzulassen, zu dem dreimal täglich die Glocken der Kirchtürme einladen: sich einzuschwingen in die Beziehung zwischen Himmel und Erde, sein Leben Gott zu übergeben wie es Maria im Bibeltext tut.
Zum Abschluss wurde im dunklen, nur vom Dia der "Heiligen Familie" und dem Licht eines siebenarmigen Leuchters erhellten Raum gemeinsam der Engel des Herrn gebetet – ein Erlebnis von großer Innigkeit. Auf Wunsch der Referentin entfiel der Applaus, um die ungeheur dichte Atmosphäre nicht zu zerstören.
Begeistert oder nachdenklich, auf jeden Fall aber fasziniert und ergriffen machten sich die Teilnehmer auf den Heimweg, in der Hoffnung, Irmgard Hess bald wieder in Eberbach zu erleben.

28.11.01

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